Wie funktioniert ein Kondensatormikrofon?

           © Burkhard Heise, 2011

 

 


Kondensatormikrofone (kapazitive bzw. elektrostatische Wandler)

Spricht man über Kondensatormikrofone, so beschreibt man damit das Wandlerprinzip des Mikrofons (dynamisch, Kondensator etc.).
Das Wandlerprinzip hat keinen Einfluss auf die Richtcharakteristik, es beschreibt lediglich, wie Schall in eine Ausgangsspannung gewandelt wird.

Kondensatormikrofone sind der Standard im Studio. Sie sind rauscharm, impulstreu, sehr empfindlich und liefern hohe Pegel am Ausgang (etwa 20dB mehr als dynamische Mikrofone). Ihr Übertragungsverhalten ist über einen weiten Bereich linear, allerdings gibt es im Funktionsprinzip begründete Schwächen in den tiefen Frequenzen (ab ca. 100 Hz abwärts), wie auch in den hohen Frequenzen (ab ca. 10-12 kHz aufwärts).

Kondensatormikrofone gibt es mit kleinen und mit großen Membranen. Die realisierbaren Richtwirkungen sind je nach Bauart Kugel, verschiedene Nierenformen und die Acht. Kondensatormikrofone sind teurer als dynamische Mikrofone und weniger robust, zudem benötigen sie eine externe Spannungsversorgung zum Betrieb der Kondensatorschaltung (Phantomspeisung).

 

 

Wandlerprinzip des Kondensatormikrofons:

Das elektrische Prinzip der Kondensatormikrofone basiert auf Kapazitätsänderungen eines Kondensators – welch eine Überraschung! Deshalb wird dieses Prinzip auch als kapazitiver Wandler bezeichnet. Und weil sich relativ wenig bewegt, sagt man auch elektrostatischer Wandler dazu – soviel zum Vokabeltraining.

Sie wissen doch noch, was ein Kondensator ist? Kurze Erinnerung: zwei gegenüberliegende elektrisch leitende Platten sind die Elektroden. Dazwischen ist ein nicht leitendes Medium, zum Beispiel Luft. Der Kondensator kann elektrische Ladungen speichern. Bewegt man eine Elektrode, so ändert sich die Kapazität des Kondensators, elektrische Ladungen fließen ab oder zu. Dies kann man über eine Schaltung in eine elektrische Spannung wandeln, die sich proportional zur Kapazität ändert. Okay, das war der kurze Rückspann in den Physikunterricht, jetzt geht’s weiter.

Wie sieht so etwas nun bei einem Mikrofon aus? Eine metallisierte (goldbedampfte) Kunststoffmembran ist ringförmig eingespannt, sie ist die bewegliche „Platte“ des Kondensators. Bewegung heißt, sie wölbt sich etwas vor und zurück, mehr nicht. Gegenüberliegend befindet sich die feste Kondensatorplatte (Gegenelektrode). Wird die bewegliche Platte vom Schalldruck ausgelenkt, ändert sich die Kapazität des Kondensators proportional zur Membranauslenkung. Alles Weitere ist eine Angelegenheit für Spezialisten: Die Kapazitätsänderung wird durch eine elektronische Schaltung mit Hilfe eines hochohmigen Widerstandes in eine Ausgangsspannung umgesetzt (siehe oben). Als Verstärker dient schließlich eine Röhre oder ein Transistor.

Der Abstand der beiden Kondensatorplatten beträgt nur wenige Hundertstel Millimeter. Die Auslenkung der Membrane bei hohen Schalldrücken beträgt oft nur einige Zehntausendstel Millimeter. Der Aufbau ist ein mechanisch hoch empfindliches System. Das folgende Bild zeigt das Prinzip des Kondensatormikrofons. Abgebildet ist ein Nierenmikrofon, die Experten erkennen das an der offenen Bauweise und den Schalldurchgangs-löchern in der festen Elektrode. Ich erkläre das genau beim Thema Empfängerprinzip. Beachten Sie hier zunächst den Aufbau mit der beweglichen und der festen Membran.

 

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                Prinzip des Kondensatormikrofons als Druckgradientenempfänger (Niere)

 

 

Eigenschaften des Kondensatormikrofons:

Der Frequenzgang eines Kondensatormikrofons ist gegenüber den dynamischen Mikrofonen recht gleichmäßig, besonders dann, wenn es sich um einen Mikrofon mit Kugelcharakteristik handelt. Man erkennt einen nahezu linearen Frequenzgang, der jedoch bei etwa 10 kHz eine etwas höhere Empfindlichkeit aufweist, den so genannten Höhenbuckel (diffusfeldentzerrte Kennlinie). Dieses spezielle Mikrofon ist bei hohen Frequenzen empfindlicher. Man kann den Höhenbuckel, der für Aufnahmen im Diffusfeld Sinn macht, auch unterdrücken und erhält bei hohen Frequenzen eine fast wagerechte Linie. Wenn Sie diesen Frequenzgang mit dem des dynamischen Mikrofons vergleichen, erkennen Sie die wesentlich bessere Linearität des Kondensatormikrofons.

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Frequenzgang eines typischen Kondensatormikrofons (Niere = Druckgradientenempfänger)

 

 

Phantomspannung für den Betrieb:

Zum Betrieb des Kondensatormikrofons (Laden des Kondensators) wird eine Gleichspannung benötigt, die so genannte Phantomspannung (meist 48 Volt). Sie wird dem Mikrofon vom externen Vorverstärker oder vom Mischpult zugeführt. Dabei liegt diese Spannung nicht zwischen den beiden Tonadern, sondern jeweils mit jeweils unterschiedlicher Polarität zwischen Tonader und Masseschirm an, wirkt sich also nicht auf das elektrische Signal des Mikrofons aus. Deshalb heißt sie Phantomspannung. Sie ist (im Gegensatz zur Tonaderspeisung) für dynamische Mikrofone ungefähr-lich und wirkungslos.

Die Höhe der Phantomspannung ist aus ganz banalen Gründen entstanden. Als die Firma Neumann 1966 ihre neue Serie Kondensatormikrofone beim norwegischen Rundfunk vorstellte, sollte die vorhandene Betriebsspannung der Zusatzbeleuchtung der Studios als Phantomspannung benutzt werden können – sie betrug 48 V.

Die Mikrofone erreichen ihre Kennwerte meist mit diesen 48 V. Schauen Sie in die technischen Daten Ihres Mikrofons und Ihres Mischpultes, um Unsicherheiten bei den Spannungen zu vermeiden. Die Güte der Schaltung für die Erzeugung der Phantomspannung hat einen erheblichen Einfluss auf die Klangqualität des Mikrofons. Insbesondere die verzerrungsfreie Übertragung hoher Schalldrücke ist bei stromschwachen Phantomspeisungen nicht gegeben, das Mikrofon kann seine klanglichen Stärken dann nicht ausspielen und die Linearität der Übertragung leidet.

Unzureichend gepaarte Widerstände in der Schaltung führen zu geringerer Störunterdrückung der symmetrischen Leitung. Schlecht ausgeführte Phantomspeisungen können also der Grund für mangelhafte Einstreuungsunterdrückung auf der Mikrofonleitung sein. Sofern Sie Ihr gutes Konden-satormikrofon mit einem guten Vorverstärker betreiben, dürfte Sie dieses Problem aber nicht betreffen.

 

 

Dämpfungsschalter:

Der oft vorhandene Dämpfungsschalter am Mikrofon schwächt das Nutzsignal ab, ohne allerdings die Störspannung auf dem Kabel zu verringern (Einstreuungen), das heißt der Störspannungsabstand verschlechtert sich bei eingeschalteter Vordämpfung. Die seltenen Fälle, in denen das Mikrofonsignal den nachfolgenden Verstärker übersteuert, kann man besser mit einem Dämpfungsglied am Verstärkereingang, das heißt am Ende des Mikrofonkabels behandeln. Damit werden Nutzsignal und Störspannung gleichermaßen bedämpft.

Lassen Sie den Dämpfungsschalter am Mikrofon besser auf "Aus" und nutzen Sie gegebenenfalls die Eingangsdämpfung am Vorverstärker bzw. Mischpult.

 

 

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