Vorgehensweise bei der Raumakustikanalyse

           © Burkhard Heise, 2009

 

 


Wahrscheinlich wollen Sie Ihre Raumakustik im Alleingang in den Griff bekommen, was ich Ihnen aber nicht empfehle. Sie werden es trotzdem tun, ich habe es selbst aber auch nicht anders gemacht. Wenn Sie aber ein paar Euro übrig haben, holen Sie sich das Angebot eines Experten ein, der Sie vorab berät und gegebenenfalls auch eine Messung durchführt. Oder messen Sie selbst und lassen das Ergebnis professionell interpretieren. Das schützt vor Verwirrungen, die ich jetzt schon einmal als sicher prognostiziere.

1. Messen Sie zuerst Ihren Raum zentimetergenau aus und stellen Sie fest, ob er günstige oder ungünstige akustische Verhältnisse aufweist (stehende Wellen, Raumeigenmoden). Dazu teilen Sie die beiden größeren Längen jeweils durch die kleinste Länge. Sollten Sie auf sehr ungünstige Verhältnisse stoßen, ziehen Sie besser um. Aber vielleicht planen Sie ja noch den Einbau einer Zwischenwand, dann können Sie den Raum geometrisch optimieren. Nur denken Sie daran, dass eine solche Wand schallhart in den tiefen Frequenzen sein muss. Einfache Gipskartonwände reichen dafür nicht aus.

2. Bestimmen Sie bestmöglich die Materialeigenschaften der Wände sowie den Aufbau von Decken und Fußböden. Messen Sie aus, wie groß die jeweiligen Flächen (Glas, Holzboden, Rigipswand, Mauerwand, etc.) sind. Geben Sie die Werte in einen Simulationsrechner ein und Sie erhalten die Nachhallzeiten über der Frequenz. Wichtig ist nur der Bereich bis etwa 8 kHz, darüber ist die Nachhallzeit auf Grund der Luftabsorption der kurzen Wellenlängen ausreichend kurz. Achten Sie deshalb schon in der Simulation darauf, dass die Höhen und die oberen Höhen durch poröse Absorber nicht zu stark bedämpft werden.

Wollen Sie die Nachhallzeit messen, statt sie per Simulation zu ermitteln, benötigen sie ein entsprechendes Messgerät, das man mitunter auch tageweise ausleihen kann. Oder Sie verwenden einen Rauschgenerator und ein Messmikrofon sowie eine Software für die Messung und die Auswertung. Sofern Ihr Raum noch „roh“ ist, sollten Sie auf jeden Fall mit einer Messung starten und nicht nur auf eine Simulationsrechnung vertrauen.

3. Nun berechnen Sie die Raumeigenmoden bis etwa 300 Hz. Achten Sie bei den Ergebnissen besonders auf die axialen Moden und auf Überlagerung mehrerer Moden bei einzelnen Frequenzen. Sobald mehrere Eigenmoden auf derselben Frequenz liegen und die Verteilung der Eigenmoden über der Frequenz ungleichmäßig ist, wird es kritisch.

Um stehende Wellen aufzuspüren können Sie, statt zu rechnen, einen Versuch durchführen (Resonanzversuch). Stellen Sie einen Lautsprecher dort auf, wo später eine der Monitorboxen steht (ein Lautsprecher genügt, aber er muss die tiefen Frequenzen übertragen können). Spielen Sie Sinustöne in aufsteigender Frequenz im Abstand von etwa 5 Hz ab, enger braucht man die Frequenzabstände nicht zu machen. Starten Sie bei 30 Hz und gehen bis 300 Hz hinauf. Dazu benutzt man einen Sinusgenerator oder entsprechende Samples. Bitten Sie zwei Helfer, sich im Raum längs, quer und diagonal zu bewegen. Notieren Sie auf einem Grundriss die Orte, wo sie die Bäuche von stehenden Wellen feststellen. Neben dem geplanten Abhörplatz sind die Wände entscheidend, denn dort werden später Resonatoren befestigt. Besonders wichtig für die tiefen Frequenzen sind auch die Raumecken, an Wänden und in Ecken entsteht der höchste Schalldruck und Resonatoren haben dort den höchsten Wirkungsgrad. Meist passen sie auch nirgendwo anders hin, denn für tiefe Frequenzen sind diese Bauteile recht groß. Achten Sie auch darauf, in welcher Höhe des Raumes sich die Pegelmaxima an den Wänden ausbilden, dann haben Sie den passenden Ort für die Anbringung der Resonatoren bereits gefunden. Gibt es mehrere Orte mit Pegelmaxima zu einer Frequenz, können Sie überlegen, wie ein Resonator in Ihr innenarchitektonisches Konzept passt und ihn dort installieren, wo er am wenigsten stört.

Mit diesen Rechen- und Testergebnissen ist Ihr Raum im Wesentlichen charakterisiert. Nur über die Diffusität kann man keine quantitative Aussage treffen. Die Diffusität ist kein physikalischer Wert und es gibt keinen mathematischen Zusammenhang, aus dem heraus man einen Wert ableiten kann. Lediglich die Gleichmäßigkeit des Abklingverhaltens des Raumschalls ist ein indirekter Hinweis auf gute Diffusität. Zuviel tun können Sie in Sachen Diffusität jedenfalls nicht, solange die Nachhallzeit stimmt.

→ Praxistipp: Schreiben Sie bei raumakustischen Planungen auf, was Sie gerade tun, was Sie damit beabsichtigen und was Sie herausgefunden haben. Legen Sie eine „Akustikakte“ für jeden Raum an, in der Sie den Ansatz und dessen Ergebnisse notieren und die benötigten Bauteile in einen Grundriss eintragen. Beim Einbau von Absorbern, Resonatoren oder Diffusoren halten Sie sich an diese Ergebnisse und beginnen Sie nicht, "nach Gefühl" zu bauen.

 

 

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